Schtetl

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Schtetl (Deutsch)

Singular Plural
Nominativ das Schtetl die Schtetl
Genitiv des Schtetls der Schtetl
Dativ dem Schtetl den Schtetl
den Schtetln
Akkusativ das Schtetl die Schtetl

Alternative Schreibweisen:

Stetl

Worttrennung:

Schtetl, Plural: Schtetl

Aussprache:

IPA:
Hörbeispiele: Lautsprecherbild Schtetl (Info)
Reime: -ɛtl̩

Bedeutungen:

früher: bis zur Schoah mehrheitlich von einer jüdischen Bevölkerung bewohnter Ort (in Osteuropa), an dem diese ihre eigenen jüdischen Traditionen lebten

Herkunft:

Es handelt sich um eine Entlehnung aus jiddischem שטעטל‎‎ (YIVOshtetl) → yi [1], welches seinerseits mittelhochdeutschem stetel → gmhkleine Stadt, Städtchen, Städtlein‘ entstammt.[2]

Sinnverwandte Wörter:

Getto/Ghetto, Judengasse, Judenquartier, Judenviertel, Judería, Mellah, Schtot/Stot

Oberbegriffe:

Ort, Ortschaft

Beispiele:

„Im Schtetl, der zerstörten jüdischen Welt Osteuropas, herrschte eine relativ homogene ökonomische Situation – die meisten Menschen waren bitterarm, aber halfen einander und lebten in selbstverständlicher Gemeinschaft.“[3]
„Die Schtetl in Galizien, Polen, Litauen, Rumänien, Ungarn, Bessarabien, Böhmen und der Ukraine waren der Ort, wo jüdische Traditionen und Werte bewahrt und so verfeinert wurden, dass sie einen ganz eigenen Charakter annahmen. Das Schtetl war Treibhaus und Hochburg aschkenasischer Kultur. Die Schtetl-Juden waren arme Leute, fundamentalistisch, oft chassidisch, erdverbunden und abergläubisch.“[4]
„Und in der Tat, der jüdische Bäckerjunge aus dem galizischen Schtetl Werbowitz, dann der jüdische Proletarier in Lemberg, hat sich mit grandioser Willensstärke und unerschöpflicher Neugierde hochgearbeitet bis zum genialen Schauspieler auf den großen Bühnen Berlins.Auf all seinen Stationen hat er jedoch nie vergessen, woher er kam: Aus der in sich geschlossenen Welt des Schtetls, wo die jüdischen Gesetzesvorschriften das Leben bestimmten, die Armut und der Kindersegen groß waren, jeder Tag von neuem den Kampf ums Überleben brachte.“[5]
„Seit vielen Jahren bereist der Altmeister der polnischen Fotografie, der über die polnischen Grenzen weit hinaus arbeitende und deshalb auch im Westen bekannte Fotograf Tadeusz Rolke Polen und die Ukraine, um das festzuhalten, was von den berühmten jüdischen Schtetl übrig geblieben ist.“[6]
„Die sich kontinuierlich vergrößernde Familie – von zehn Kindern wuchsen sieben auf – lebte wieder in einem osteuropäischen Schtetl in ständiger Angst vor Pogromen.“[7]
„Die Schtetl waren von aschkenasischen Juden geprägte Kleinstädte, die in ganz Osteuropa, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer anzutreffen waren.Etwa 60 Schtetl entstanden entlang an alten Handelswegen zwischen Pruth und Sereth.“[8]
„Man muss Roman Vishniacs Fotos aber nicht nur als Auftragsarbeiten einer Hilfsorganisation, sondern im Kontext einer Mythifizierung des Schtetls sehen, die genau in jenem Augenblick einsetzt, als die Gesellschaft des Schtetls im Untergang begriffen ist.“[9]
„Im Berliner Scheunenviertel entstand ein typisches Schtetl mit eigener ostjüdischer Tradition.“[10]
„Die einst so lebendigen jüdischen Schtetl und Dörfer waren jetzt leer; die meisten Häuser waren geplündert und zerstört worden.“[11]

Charakteristische Wortkombinationen:

aus dem Schtetl stammen, das Schtetl verlassen, im Schtetl aufwachsen, im Schtetl leben, im Schtetl wohnen, ins Schtetl fahren, ins Schtetl kommen, ins Schtetl reisen, ins Schtetl zurückkehren

Übersetzungen

Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. 6. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-05506-7, Seite 1496.
Duden online „Schtetl
Großes Wörterbuch der deutschen Sprache „Schtetl“ auf wissen.de
Wikipedia-Artikel „Schtetl
Uni Leipzig: Wortschatz-PortalSchtetl
Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch „Schtetl

Quellen:

  1. Uriel Weinreich: מאָדערן ענגליש-ייִדיש ייִדיש-ענגליש װערטערבוך‎. Modern English-Yiddish Yiddish-English Dictionary. New paperback edition, Schocken Books, New York 1987, ISBN 0-8052-0575-6 (Lizenzausgabe des YIVO Institute for Jewish Research, New York 1968), Stichwort »town«, Seite 335 (englischer Teil) sowie Stichwort »שטעטל‎«, Seite 391 (jiddischer Teil).
  2. Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. 6. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-05506-7, Seite 1496.
  3. Karin Leich: „Herrschaft und Sexualität in Franz Kafkas Romanen ‚Der Proceß‘ und ‚Das Schloß‘“. Marburg 2003, Seite 139 (Inaugural-Dissertation, Philipps-Universität Marburg, URL: PDF 1,6 MB sowie zitiert nach URL, abgerufen am 02. Dezember 2010).
  4. Anton Salzberg 1896 – 1945. Ein unbekanntes Schicksal aus St. Andrä-Wördern. Mai 2006, Seite 2–3 (URL: PDF 3,35 MB, abgerufen am 02. Dezember 2010).
  5. Rachel Salamander: Das Schauspielergenie aus dem Schtetl. In: Alexander Granach, Vorwort von Rachel Salamander (Herausgeber): Da geht ein Mensch. Autobiographischer Roman. 1. Auflage. btb Verlag, Augsburg/München 2007, ISBN 978-3-442-73603-4, Seite 7 (©2003 beim Ölbaum Verlag Augsburg, zitiert nach URL: PDF 0,2 MB).
  6. Beatrix Bouvier (Herausgeber): „Hier waren wir. Spuren jüdischen Lebens in Polen und der Ukraine.“. 9. November 2007, Dokumentation der Ausstellungseröffnung im Studienzentrum Karl-Marx-Haus, Trier. In: Gesprächskreis Politik und Geschichte im Karl-Marx-Haus. Heft 12, Studienzentrum Karl-Marx-Haus der Friedrich-Ebert-Stiftung, Trier/Bonn 2008, ISBN 978-3-89892-841-0, ISSN 1860-8280, Seite 3 (Zitiert nach URL: PDF 1,75 MB).
  7. Mag.phil. Dr.phil. Gertraud Rothlauf: „Vom Schtetl zum Polarkreis. Juden und Judentum in der norwegischen Literatur“. Wien 2009, Seite 200 (Dissertation, Universität Wien, URL: PDF 2,52 MB sowie zitiert nach URL, abgerufen am 02. Dezember 2010).
  8. Gustav Binder: Deutsch-jüdische Kultur- und Beziehungsgeschichte im östlichen Europa. Seminar der Akademie Mitteleuropa e.V. in der Bildungs- und Begegnungsstätte „Der Heiligenhof“. Bad Kissingen, 15. bis 19. November 2009. In: AHF, Arbeitsgemeinschaft historischer Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland e.V. (Herausgeber): AHF-Information. Nummer 047, 25. März 2010, Seite 4 (URL: PDF MB sowie zitiert nach URL, abgerufen am 02. Dezember 2010).
  9. Tim Ackermann, Alan Posener: Der Mythos vom armen Schtetl. In: Welt Online. 25. April 2010, ISSN 0173-8437 (URL, abgerufen am 2. Dezember 2010).
  10. Arno Herzig: 1815–1933: Emanzipation und Akkulturation. In: Bundeszentrale für politische Bildung/bpb (Herausgeber): Information zur politischen Bildung. Heft 307: Jüdisches Leben in Deutschland, Bonn Juli 2010, ISSN 0046-9408, Seite 48 (URL: PDF 2,7 MB sowie zitiert nach URL, abgerufen am 02. Dezember 2010).
  11. Thomas T. Blatt: Nur die Schatten bleiben. Der Aufstand im Vernichtungslager Sobibór. 1. Auflage. Aufbau Taschenbuch Verlag, Berlin 2001, ISBN 3746680689, Seite 211.

Ähnliche Wörter (Deutsch):

ähnlich geschrieben und/oder ausgesprochen: Städtel, Städtl, stet, steht, stets