Stimmvieh

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Stimmvieh (Deutsch)

Singular Plural
Nominativ das Stimmvieh
Genitiv des Stimmviehs
Dativ dem Stimmvieh
Akkusativ das Stimmvieh
1886 in den Fliegenden Blättern erschienene, von Adolf Oberländer angefertigte politische Karikatur des Stimmviehs

Worttrennung:

Stimm·vieh, kein Plural

Aussprache:

IPA:
Hörbeispiele: Lautsprecherbild Stimmvieh (Info)

Bedeutungen:

abwertend: wahlberechtigte, politisch unentschiedene, unkritische Personen, die als abhängige, günstige Wählermasse für jemanden oder eine Partei bei Wahlen zur erwünschten Entscheidung veranlasst werden können und daher nur hinsichtlich ihrer Stimmabgabe bedeutsam sind

Herkunft:

  • strukturell:
Determinativkompositum aus den Substantiven (Wahl-)Stimme und Vieh beziehungsweise aus dem Stamm des Verbs stimmen und dem Substantiv Vieh
Das Wort wurde in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts[1] (gegen 1860[2][3]) als politisches Schlagwort[2][3] aus dem angloamerikanischen voting cattle → en[1][2][3] lehnübersetzt[2][3] und zunächst auf amerikanische Verhältnisse bezogen[1].

Synonyme:

Wahlvieh

Sinnverwandte Wörter:

Anhängerschaft, Wählerschaft
fachsprachlich: Elektorat
umgangssprachlich: Parteipferch, Vox populi, Vox Rindvieh

Beispiele:

Das mündige Wahlvolk ist kein Stimmvieh!
Der Partei X geht es doch nur darum, Stimmvieh zu rekrutieren.
„‚In das Theater bringt Niemand die feinsten Sinne seiner Kunst mit, auch der Künstler nicht, der für das Theater arbeitet: da ist man Volk, Publikum, Heerde, Weib, Pharisäer, Stimmvieh, Demokrat, Nächster, Mitmensch, da unterliegt noch das persönlichste Gewissen dem nivellirenden Zauber der »grössten Zahl«, da wirkt die Dummheit als Lüsternheit und Contagion, da regiert der »Nachbar«, da w i r d man Nachbar…‘“[4]
„Parteipolitisch ungebunden, versuche ich mich bestmöglich sachlich zu informieren, um nicht manipuliert oder als Stimmvieh ge- oder mißbraucht zu werden.“[5]
„Nicht selten organisieren Kandidaten vor den Wahlen die massenhafte Vergabe solcher Papiere an eindeutig minderjährige Kinder. So werden die Kinder zunächst zu ‚Stimmvieh‘ gemacht, bevor sie in Bürgerkriegen, die immer häufiger mit Wahlkämpfen zusammenhängen, zu Kanonenfutter werden.“[6]
„Einen ‚faden Beigeschmack‘ bekomme die gemeinsame Liste, weil es möglicherweise darum gehe, ‚Stimmvieh‘ für die Wahl des neuen Geschäftsführers zu schaffen.“[7]
„In anderen Fällen ist der Rat Traditioneller Behörden wie seine Vorgänger vor der Unabhängigkeit allzu obrigkeits- und parteihörig, indem er selbstgefällig und gleichgültig nicht auf den Aufschrei der San eingeht, die von der Swapo - wie die Kxoe-San - vor den Wahlen zwar gern als Stimmvieh missbraucht, die hinterher jedoch durch die vorwiegend oshivambosprechenden Sicherheitskräfte drangsaliert werden, dass sie - als Namibier unter souveräner Regierung! - zu Hunderten die Flucht nach Botswana ergriffen haben und von dort immer noch nicht zurückkehren wollen.“[8]
„Eine Lehrerin warf der Regierung vor, Kinder ‚nach Gutdünken auszubilden, um sie später als Stimmvieh einzusetzen‘.“[9]
„Einmal mehr wird wieder deutlich, mit welcher Ignoranz ‚unsere‘ Politiker den Bedenken und Gegenargumenten ihrer Wähler begegnen und nur vor Kommunalwahlen für kurze Zeit um die Gunst des Stimmviehs buhlen.“[10]
„Die Ursache ist nicht genau auszumachen - doch es geht ein Beben durch die deutsche Parteienlandschaft: Nicht die Parteiführer ordnen die Landschaft neu, es ist der Souverän, oft als Wahlvolk oder gar Stimmvieh geringgeschätzt.“[11]
„Alles war vorher abgekartet. Das Volk sollte nur als Stimmvieh herhalten.“[12]
„Die politisch zurückhaltenden San wurden im verfassungsmäßigen Vorgang der Erfassung traditioneller Führer einfach übergangen, es sei denn, dass man sie vor den Wahlen als Stimmvieh ‚zusammengescheucht‘, aber dann wieder ignoriert hat.“[13]
„Wer die Grünen als Partei ansieht, die unrealistische Utopien in die Welt posaunt, um traumtänzerisches Stimmvieh einzufangen, verkennt den grünen Gedanken: .“[14]

Charakteristische Wortkombinationen:

dumpfes, willfähriges Stimmvieh; nur Stimmvieh für die Parteien sein; die Wähler nur als Stimmvieh betrachten

Übersetzungen

Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. In zehn Bänden. 3., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. 8. Band Schl–Tace, Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 1999, ISBN 3-411-04813-1, DNB 965408930, Seite 3749.
Wissenschaftlicher Rat der Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. 6. Auflage. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2007, ISBN 978-3-411-05506-7, Seite 1619.
Renate Wahrig-Burfeind: Brockhaus Wahrig Deutsches Wörterbuch. Mit einem Lexikon der Sprachlehre. In: Digitale Bibliothek. 9., vollständig neu bearbeitete und aktualisierte Auflage. wissenmedia in der inmedia ONE GmbH, Gütersloh/München 2012, ISBN 978-3-577-07595-4 (CD-ROM-Ausgabe), Stichwort »Stimmvieh«.
Heinz Küpper: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden. 7. Band Sardelle–Susi, Klett, Stuttgart 1984, ISBN 3-12-570170-8, DNB 841057532, Seite 2738.
Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Stimmvieh«.
Duden online „Stimmvieh
Wikipedia-Artikel „Stimmvieh
Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Stimmvieh
Uni Leipzig: Wortschatz-PortalStimmvieh
Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – elexiko „Stimmvieh
Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „Stimmvieh

Quellen:

  1. 1,0 1,1 1,2 Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „Stimmvieh
  2. 2,0 2,1 2,2 2,3 Heinz Küpper: Illustriertes Lexikon der deutschen Umgangssprache in 8 Bänden. 7. Band Sardelle–Susi, Klett, Stuttgart 1984, ISBN 3-12-570170-8, DNB 841057532, Seite 2738.
  3. 3,0 3,1 3,2 3,3 Heinz Küpper: Wörterbuch der deutschen Umgangssprache. In: Digitale Bibliothek. 1. Auflage. 36, Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-436-7, Stichwort »Stimmvieh«.
  4. Friedrich Nietzsche: Die fröhliche Wissenschaft. („la gaya scienza“). Neue Ausgabe mit einem Anhange: Lieder des Prinzen Vogelfrei, Verlag von E. W. Fritzsch, Leipzig 1887, Seite 311 (FW, § 368) (Erste Veröffentlichung am 10. September 1882; zitiert nach eKGWB).
  5. Wähler gegen den schwarzen Landesvater. In: Nürnberger Nachrichten. 1. Juli 1994, Seite 22.
  6. Martine-Renée Galloy, Marc-Éric Gruérnais: Afrika holt seine Diktatoren aus der Urne. WAHLZAUBER VERSUS ZIVILGESELLSCHAFT AUF DEM AFRIKANISCHEN KONTINENT. In: Le Monde diplomatique Online. Deutschsprachige Ausgabe. Nummer 5382, 14. November 1997 (übersetzt von Christiane Kayser), ISSN 1434-2561, Seite 18–19 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  7. In Isenburgs Baugesellschaft redet Ökopartei nicht mehr mit. In: Frankfurter Rundschau. Jahrgang 53, 16. Mai 1997, ISSN 0940-6980, Seite 1.
  8. Tradition gestalten. In: Allgemeine Zeitung Online (Windhoek, Namibia). 21. November 2001, ISSN 1560-9421 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  9. Weiter Unmut in San Luis. Provinzregierung im Konflikt mit Kirche und Lehrern / Großdemonstrationen. In: Argentinisches Tageblatt Online. Nummer 31.449, 114. Jahrgang, 13. März 2004, Seite 2 (PDF, URL, abgerufen am 3. August 2013).
  10. In welcher Bananenrepublik liegt Nürnberg? In: Nürnberger Nachrichten. 5. November 2007, Seite 2.
  11. Georg Paul Hefty: Neue Bündnisse: Das Wahlvolk lässt es beben. In: FAZ.NET. 22. April 2008 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  12. Matthias Schepp (Interviewer), Andrej Budajew (Interviewter): Künstler-Dissident Budajew: „Ich will dem Kreml die Aura der Göttlichkeit nehmen“. In: Spiegel Online. 15. März 2009, ISSN 0038-7452 (URL, abgerufen am 4. August 2011).
  13. Zwischen Rückfall und Erfolg. In: Spiegel Online. 19. Mai 2009, ISSN 0038-7452 (URL, abgerufen am 3. August 2013).
  14. Ruth Schneeberger: Zum Siegeszug der Grünen: Grüner wird’s noch. In: sueddeutsche.de. 1. April 2011, ISSN 0174-4917 (URL, abgerufen am 4. August 2011).

Ähnliche Wörter (Deutsch):

ähnlich geschrieben und/oder ausgesprochen: Stammvieh, Stimmvolk