Tünche

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Tünche (Deutsch)

Singular Plural
Nominativ die Tünche die Tünchen
Genitiv der Tünche der Tünchen
Dativ der Tünche den Tünchen
Akkusativ die Tünche die Tünchen

Anmerkung zum Plural:

Mit dem Plural werden zumeist Arten von Tünche bezeichnet.[1]

Nebenformen:

veraltet: Tünch

Worttrennung:

Tün·che, Plural: Tün·chen

Aussprache:

IPA:
Hörbeispiele: Lautsprecherbild Tünche (Info)
Reime: -ʏnçə

Bedeutungen:

aus weißer (oder oft mit Farbstoffen getönter) Kalkmilch bestehende, mitunter auch Leim als Bindemittel enthaltende Anstrichfarbe, mit der Wände gestrichen werden
veraltend übertragen: vor allem auf die Gesichtshaut aufgetragenes kosmetisches Mittel zur Verschönerung beziehungsweise (insbesondere in den darstellenden Künsten) zur Veränderung des Aussehens
abwertend veraltend; kein Plural: etwas, was einen Sachverhalt, das äußere Erscheinungsbild, den wahren Hintergrund oder das eigentliche Wesen verschleiern, verdecken soll

Herkunft:

Das Wort geht über das frühneuhochdeutsche tünche[1] und über die mittelhochdeutschen Formen tünich → gmh[2] und tuniche → gmh[1] auf das althochdeutsche tunihha → goh zurück, das ab dem 10. Jahrhundert in der Bedeutung ‚Anstrich, Kalkanstrich, Kalkbewurf‘ belegt ist.[2] Die frühere, ursprüngliche, bereits ab um 800 bezeugte Bedeutung ‚Kleid, Gewand‘ zeichnet es als Entlehnung des lateinischen tunica → la ‚auf dem Körper getragenes, mit kurzen Ärmeln versehenes Hemd‘ (siehe Tunica) aus.[2]

Synonyme:

Schminke

Sinnverwandte Wörter:

Fassade, Firnis, Schein
gehoben abwertend: Blendwerk
umgangssprachlich abwertend: Kulisse

Oberbegriffe:

Anstrich, Farbe
Kosmetik

Unterbegriffe:

Kalktünche

Beispiele:

Die Wand war mit Tünche gestrichen.
„Da war eine beſchädigte Stelle in dem Bewurf, welche wie ein Land ausſah mit Seen und Städten, und ein Häufchen von groben Sandkörnern ſtellte eine glückſelige Inſelgruppe vor; weiterhin erſtreckte ſich eine lange Schweinsborſte, welche aus dem Pinſel gefallen und in der blauen Tünche ſtecken geblieben war; denn Jobſt hatte im letzten Herbſt einmal ein kleines Reſtchen ſolcher Tünche gefunden und damit es nicht umkommen ſollte, eine Viertelswandseite damit angeſtrichen, ſo weit es reichen wollte, und zwar hatte er die Stelle bemalt, wo er zunächſt im Bette lag.“[3]
„Wie jetzt das Kirchlein ſich präſentirt, ſticht es jedenfalls ſehr vortheilhaft von dem gegenüber gelegenen Schloßbau ab, mit dem es nur das Alleräußerlichſte und Gleichgültigſte, die gelbe Tünche, gemein hat.“[4]
«Denn es gehe die Rede, daß in dem älteren Flügel des Hauſes etwas nicht richtig ſei. Die alte Mama beklagte ſich über ſo beunruhigende Herumbietungen, die doch keinen vernünftigen Grund haben könnten; der alte Herr verwies darauf, daß mit Luft und Licht und friſcher Tünche der neuen Arbeiten das Unweſen ſich wol verziehen werde.»[5]
„Er kannte jeden kleinsten Pinselstrich der Tünche, die beiden Stellen, an denen Nägel wieder ausgezogen waren, und sehr genau die fünf Stellen, wo früherer Nageleinschlag übertüncht war.“[6]
„An der feuchten Wand, von der die Tünche bröckelte, ein unbeholfener Öldruck des Sultans und ein paar gerahmte Koransprüche.“[7]
„Er habe in seinen Analysen keine Spur von Pigmenten (Farbstoffen) in den Tünchen gefunden, mit denen die Festung all die Jahrhunderte gestrichen worden sei.“[8]
„Die Malerei wird derzeit mit Skalpell und Glasfaser-Stiften von den Tünchen der vergangenen Jahrhunderte befreit.“[9]
„Die Tünche der Fassade wurde durch einen frischen roten Schmiss aus der Ruhe gebracht.“[10]
  „So taͤuſcht die alte Buhlerin
Durch eine modiſche Perruͤcke
und eine Tuͤnche von Carmin
Beym Balle ſelbſt des Kenners Blicke.“[11]
„Ehrlich gesagt: was wir gesehen haben, waren thönerne Beine, und was wie gesunde Fleischfarbe erschien, war nur aufgemalte Tünche.[12]
„‚Dafür sehen Sie aber recht propper aus, Frau Paulsen‘, konnte sich Barbara die Bemerkung nicht verkneifen, ‚oder ist das alles Tünche, was Sie im Gesicht tragen?‘“[13]
„Der Mittelſtand wird langſam, aber ſicher zerrieben — die mühſam bewahrte Haltung der Bürgerlichen iſt heute ſchon häufig Tünche, und nach oben und unten wandern ſie ab: nach oben — das ſind die Kriegs- und Revolutionsgewinnler; nach unten: die proletariſierten Maſſen.“[14]
„Jetzt gehe mit dem Wert seines Geldes seine demokratische Tünche vollends dahin.“[15]
„Man könnte sagen, sie sind alle ‚schlecht getauft‘, unter der dünnen Tünche von Christentum sind sie geblieben, was ihre Ahnen waren, die einem barbarischen Polytheismus huldigten.“[16]
„Euer Gedicht, Verehrter, das Ihr mit dem Marschbefehl ›Transzendieren!‹ überschrieben und dessen Titel Ihr später, Gott sei Dank, durch einen sehr viel besseren ersetzt habet, hat mir nie so recht gefallen, weil es etwas Befehlendes, etwas Moralisierendes oder Schulmeisterliches hat. Könnte man ihm dieses Element nehmen oder vielmehr diese Tünche abwaschen, so wäre es eines Eurer schönsten Gedichte, das habe ich soeben wieder bemerkt.“[17]
„Jetzt hält die Tünche nicht mehr, und es kommen Geschichten zum Vorschein, über die wir 40 Jahre lang nie gesprochen haben.“[18]
„Frühe Auslandsaufenthalte in Indien und Brasilien – Kahanes Vater war Journalist – begründen ihre Liebe zum Süden und zu den dort lebenden Menschen ebenso wie sie der unter der Tünche sozialistischer Gesinnung fortdauernde Rassismus und Antisemitismus der DDR schon früh anwidert.“[19]

Charakteristische Wortkombinationen:

frische, weiße Tünche
eine Wand mit Tünche streichen
die alte Tünche abwaschen
die Tünche trocknet, blättert ab
etwas mit Tünche überdecken

Wortbildungen:

tünchen, Tüncher

Übersetzungen

Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache „Tünche
Online-Wortschatz-Informationssystem Deutsch – elexiko „Tünche
The Free Dictionary „Tünche
Duden online „Tünche
PONS – Deutsche Rechtschreibung „Tünche
Uni Leipzig: Wortschatz-PortalTünche
Jacob Grimm, Wilhelm Grimm: Deutsches Wörterbuch. 16 Bände in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961 „Tünche
Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 10 Bände auf CD-ROM ; mehr als 200 000 Stichwörter mit rund 90 000 Belegen aus mehreren Hundert Quellen ; vielfältige Recherchemöglichkeiten ; für MS Windows und Apple Macintosh. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2000, ISBN 978-3-411-71001-0, Stichwort »Tünche«.
Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 9. Auflage. Dudenverlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-411-05509-8, Stichwort »Tünche«, Seite 1829.

Quellen:

  1. 1,0 1,1 1,2 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache. 10 Bände auf CD-ROM ; mehr als 200 000 Stichwörter mit rund 90 000 Belegen aus mehreren Hundert Quellen ; vielfältige Recherchemöglichkeiten ; für MS Windows und Apple Macintosh. Dudenverlag, Mannheim/Leipzig/Wien/Zürich 2000, ISBN 978-3-411-71001-0, Stichwort »Tünche«.

    Dudenredaktion (Herausgeber): Duden, Deutsches Universalwörterbuch. Das umfassende Bedeutungswörterbuch der deutschen Gegenwartssprache. 9. Auflage. Dudenverlag, Berlin 2019, ISBN 978-3-411-05509-8, Stichwort »Tünche«, Seite 1829.

    Duden online „Tünche
  2. 2,0 2,1 2,2 Wolfgang Pfeifer: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, digitalisierte und aufbereitete Ausgabe basierend auf der 2., im Akademie-Verlag 1993 erschienenen Auflage. Stichwort „Tünche
  3. Gottfried Keller: Die Leute von Seldwyla. Erzählungen. 1. Auflage. Druck und Verlag von Friedrich Vieweg und Sohn, Braunſchweig 1856, Seite 411 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  4. Theodor Fontane: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. 1. Auflage. Dritter Theil. Oſt-Havelland. Die Landſchaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg, Verlag von Wilhelm Hertz (Beſſerſche Buchhandlung), Berlin 1873, Seite 337 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  5. Gottfried Keller: Das Sinngedicht. Novellen. 1. Auflage. Verlag von Wilhelm Hertz (Beſſerſche Buchhandlung), Berlin 1882, Seite 238 (Zitiert nach Deutsches Textarchiv).
  6. Lion Feuchtwanger: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Roman. Erster Band. 1.–40. Tausend, Gustav Kiepenhauer Verlag, Berlin 1930, Seite 213 (Zitiert nach Google Books).
  7. Franz Werfel: Die vierzig Tage des Musa Dagh. Roman. Erster Band , Paul Zsolnay, Berlin 1933, Seite 40 (Zitiert nach Google Books).
  8. Altstadtamt will die Festung nachdunkeln. In: Salzburger Nachrichten. 29. Oktober 1991, ISSN 1015-1303.
  9. Ausflug: In die Vergangenheit. In: Kurier. Unabhängige Tageszeitung für Österreich. 18. Juni 2008, Seite 8.
  10. Sharon Dodua Otoo: Adas Raum. Roman. Originalausgabe, 2. Auflage. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2021, ISBN 978-3-10-397315-0, Seite 45.
  11. Gottlieb Conrad Pfeffel: Die beyden Eichhoͤrner. In: Poetiſche Verſuche. Vierte rechtmäßige, verbeſſerte und vermehrte Auflage. Siebenter Theil, in der J. G. Cotta’ſchen Buchhandlung, Tuͤbingen 1804, Seite 89 (Zitiert nach Google Books).
  12. Friedrich Nietzsche: Unzeitgemässe Betrachtungen. Erstes Stück: David Strauss, der Bekenner und der Schriftsteller, Verlag von E. W. Fritzsch, Leipzig 1873, Seite 100 (Zitiert nach Google Books).
  13. Claudia Torwegge: Liebe hat ihre eigenen Gesetze. Martin Kelter Verlag, Hamburg 1990 (Serie „Fürstenhöfe“, Band 96), Seite 52.
  14. Ignaz Wrobel: Das Geſicht der Stadt. In: Freiheit. Berliner Organ der Unabhängigen Sozialdemokratie Deutſchlands. Nummer 484, 3. Jahrgang, 16. November 1920, Seite  (Morgen-Ausgabe; zitiert nach Digitalisat der FES).
  15. Lion Feuchtwanger: Erfolg. Drei Jahre Geschichte einer Provinz. Roman. Erster Band, Gustav Kiepenhauer Verlag, Berlin 1930, Seite 514 (Zitiert nach Google Books).
  16. Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion. Drei Abhandlungen. 1. Auflage. Verlag Allert de Lange, Amsterdam 1939, Seite 164 (Zitiert nach Internet Archive).
  17. Hermann Hesse (Herausgeber): Das Glasperlenspiel. Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht samt Knechts hinterlassenen Schriften. Ungekürzte Sonderausgabe. 157.–183. Tausend, Suhrkamp Verlag, 1963, Seite 414–415 (Zitiert nach Internet Archive; Erstausgabe im Fretz & Warmuth Verlag, Zürich 1943).
  18. Weder das Verbot noch die Genehmigung als Geschenk. In: Berliner Zeitung. Nummer 260, 4./5. November 1989, ISSN 0947-174X, Seite 10.
  19. Micha Brumlik: Iphigenie in der Uckermark. In: taz.die tageszeitung. Nummer 7393, 26. Juni 2004, ISSN 1434-4459, Seite Ⅶ (Beilage: Politisches Buch; taz Print Archiv-URL, abgerufen am 13. August 2021).

Ähnliche Wörter (Deutsch):

ähnlich geschrieben und/oder ausgesprochen: tünchen, Tunke